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Bereit für die industrielle Transformation: Die wichtigsten ERP- und MES-Trends für 2023

18.01.2023 - Industrie 4.0, Nachhaltigkeit, Produktion, Technologie

Quelle: iStock/BlackSalmon, bearbeitet durch PSI

Der industrielle Wandel wird auch 2023 die treibende Kraft für Entwicklungen in der ERP- und MES-Welt sein. Die Weichen werden neu gestellt: Das betrifft die Modernisierung altbewährter Systeme, den Aufbau von Kommunikations­strukturen zwischen Herstellern, Lieferanten und Kunden sowie die Aus­gestaltung und Umsetzung wirksamer Nachhaltigkeitskonzepte.

5 ERP-Trends für das Jahr 2023

1. Legacy-Modernisierung: Aktualisierung des Bewährten

Legacy-Systeme sind unmodern, leisten nicht genug und sind nicht zukunftsfähig: Schon lange ist der Begriff Legacy negativ besetzt. Inzwischen wagen viele einen Blick über den Tellerrand hinaus und damit zurück zur eigentlichen Bedeutung dieses Terminus. So bezeichnet Legacy im eigentlichen Wortsinn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, das selten per se schlecht sein muss. Tatsächlich erfüllen auch in der IT-Welt viele dieser bewährten Systeme noch ihren Zweck. Gut gewartete und regelmäßig aktualisierte ERP- und MES-Lösungen können durchaus den Stand der Technik widerspiegeln. Ein Anzeichen dafür ist, dass sich die Nutzungsdauer der Systeme kontinuierlich verlängert.

Dennoch ist Vorsicht geboten und Verantwortliche sind gefordert, auf die untrüglichen Anzeichen der Überalterung ihrer IT-Landschaft zu achten. Zu den ersten Signalen zählt z. B., dass sich Anforderungen an die Datenhaltung oder Sicherheit nicht mehr erfüllen lassen und die Schnittstellenkomplexität kontinuierlich zunimmt. Beide Phänomene deuten auf eine veraltete Systembasis und eine schlechte Integrationsfähigkeit hin. Hier gilt es, genau hinzuschauen, den System-Support durch den Anbieter zu hinterfragen und schnellstmöglich aktiv zu werden. Denn ist der Support erst eingestellt, ist es zu spät für eine Modernisierung, und es kommen erheblich größere Aufwände auf ein Unternehmen zu.

Im Vorteil sind vor allem Unternehmen, deren Anbieter selbst entsprechende Systeme und passgenaue Möglichkeiten zur eigenständigen und flexiblen Erweiterung oder Gestaltung von Funktionen und Prozessen anbieten.

Wer rechtzeitig die Notwendigkeit einer Neugestaltung der IT-Landschaft erkennt, setzt in der Übergangsphase auf Brückentechnologien. Hier bewähren sich Low-Code-basierte Systemerweiterungen. Diese meist grafisch orientierten Entwicklungssysteme erlauben auch Nicht-Experten, Bestandssysteme anzupassen und weiterzuentwickeln. Hierfür kommen wiederum Low-Code-Plattformen zum Einsatz, um die das System ergänzt wird. Im Vorteil sind vor allem Unternehmen, deren Anbieter selbst entsprechende Systeme und passgenaue Möglichkeiten zur eigenständigen und flexiblen Erweiterung oder Ausgestaltung von Funktionen und Prozessen anbieten. In diesem Kontext haben sich API oder integrierte Workflowmanagementsysteme längst als selbstverständliche Angebote etabliert.

Fest steht: Wenn Mensch und System den gestiegenen Anforderungen an Flexibilität, Wandlungsfähigkeit und Lieferkettenmanagement nicht mehr entsprechen können, ist ein Austausch der Systembasis unvermeidbar. Und ein weiteres Vermächtnis, das ungeschriebene IT-Gesetz „Never change a running System“ wird zum Modernisierungsfall.

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2. Virtuelle Kollaborationsplattformen: Standards als Digitalisierungstreiber

Manchen Unkenrufen zum Trotz kommen die Industrie-4.0-Konzepte bei den Automatisierern und somit auch bei den Ausrüstern der Produktionssysteme an – langsam, aber sicher. Vor allem Standardisierungsanstrengungen von Forschenden in Projekten und Gremien tragen erste Früchte. Immer stärker rückt nun die Monetarisierung der Ergebnisse in den Fokus. So gilt es beispielsweise Geschäftsmodelle zu entwickeln, die zugleich Mehrwerte für Anbieter und Anwender erzeugen.

Plattformen, die Partner in Wertschöpfungsnetzwerken bi- oder multilateral vernetzen, gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Die Kommunikation in den entstandenen virtuellen Netzwerken basiert auf den standardisierten Modellen, die im Kontext von Industrie 4.0 stehen (I40 - Komponente, Verwaltungsschale, I40 - Sprache). Im nächsten Schritt muss die Etablierung dieser Plattformen vorangetrieben werden, an die sich interessierte Unternehmen angliedern können, etwa  Manufacturing-X oder Catena-X.

Klar ist: Digitalisierung darf nicht als Selbstzweck verstanden werden. Vielmehr kann sie einen wettbewerbsrelevanten Mehrwert liefern. Dies setzt einen marktgerechten Lösungsansatz voraus, der die gesamte Lieferkette in den Fokus nimmt – mit Standardisierungskonzepten als Katalysator.

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3. Smart Manufacturing: ERP-MES-Lösungen verhelfen zu Resilienz und Wandlungsfähigkeit

Weil die Zustände an den Absatz- und Beschaffungsmärkten durch immer größere Volatilität geprägt sind, gehört die Zukunft flexiblen oder sogar wandlungsfähigen Produktionssystemen. Das heißt, im selben Maße, wie Lieferketten instabiler werden, müssen Produktionssysteme in der Lage sein, auf geeignete Weise zu reagieren. Dazu gehört vor allem, Aufträge unter Berücksichtigung der Nachschubsituation und den verfügbaren Ressourcen schnell umplanen zu können. Flexibilisierte Beschaffungsroutinen können einen weiteren Beitrag leisten.

Mit einer höheren Produktvielfalt, individualisierten Lösungen und dem Ausregeln von Störungen ergeben sich neue Anforderungen an die Produktionssteuerung, die ERP-MES-Lösungen unterstützen müssen.

Hierzu zählt auch, neue Fertigungsprinzipien wie Schwarm- oder Matrixproduktion abzubilden. Kern der Schwarmfertigung ist die Verteilung von Arbeitsinhalten auf mehrere, ggf. auch externe Produktionssysteme. Die Matrixproduktion zeichnet sich dadurch aus, dass der Materialfluss und damit die Abarbeitung der Aufträge durch die Transportmittel bestimmt wird. Autonome Fertigungsinseln werden so miteinander verbunden.

Beide Ansätze erfordern Lösungen, die weit über herkömmliche Planungsalgorithmen hinausgehen. Zudem funktioniert das Konzept umso besser, je aktueller die Informationen über die Lieferkette und die Fertigung selbst sind. In der Praxis müssen hierfür die Planungswelt in ERP und MES mit der Ausführungsebene verbunden werden.

Kurzum:Das übergeordnete Ziel ist es, die Resilienz der Fertigung gegenüber Störungen zu erhöhen und die Wandlungsfähigkeit zu unterstützen. Gleichzeitig führen diese Eigenschaften zu einer besseren Auslastung und höheren Skalierbarkeit der Produktion bei stark schwankenden Auftragssituationen.

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4. Digitale Services: ERP-MES-Lösungen nehmen vollständigen Lebenszyklus ins Visier

Schon immer spielen, insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau, Serviceangebote eine bedeutende wirtschaftliche Rolle – wenn sie nicht sogar kaufentscheidend sind. Sachleistungen werden im Business Sektor heute oft nur noch im Zusammenhang mit Dienstleistungen verkauft. Nicht selten sind an dem kombinierten Angebot von Sach- und Dienstleistungen mehrere Unternehmen beteiligt.

ERP-Systemen verlangt dies einerseits die Fähigkeit zur Kollaboration mit Kunden, Lieferanten und Partnern ab und andererseits eine entsprechende Prozessunterstützung für die Erbringung der relevanten Dienst- bzw. Serviceleistungen. Gerade im Hinblick auf Maschinenausfall und -wartungsbedarf ist dies auch zwingend erforderlich. Für die Überwachung von Anlagen im Feld lassen sich digitale smarte Services nutzen.

Unternehmen sichern den Betrieb durch entsprechende Dienstleistungen wie z. B. Predictive Maintenance ab und sorgen für eine höhere Kundenzufriedenheit und -bindung. Die dafür notwendigen Technologien stehen im Umfeld des Industrial Internet of Things (IIoT)  zur Verfügung.

ERP-Systeme bilden vor diesem Hintergrund nicht mehr nur den eigentlichen Produktionsprozess eines Erzeugnisses ab (As-Built-Zustand), sondern auch den Zustand im Feld (As-Operated-and-Maintained-Zustand). Von effizienten Serviceprozessen profitiert die Kundenbeziehung selbst, und es entsteht ein Wettbewerbsvorteil.

Wer den Lebenszyklus eines Erzeugnisses vollständig abbilden will, ist auf die durchgängige Verfügbarkeit aller Informationen vom Engineering bis zum Betrieb im Feld angewiesen. Nur so können die möglichen Potenziale - wie höhere Zuverlässigkeit im Betriebs, gezielte Produkt­ver­besserungen oder sogar Produkt­innovationen - ausgeschöpft werden.

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5. Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung: Vom Problem zum Teil der Lösung

Die materielle Produktion verbraucht seit jeher große Mengen an Ressourcen und Energie. Dabei werden Schadstoffe in die Umwelt emittiert. Die Industrie arbeitet zunehmend daran, Teil der Lösung zu werden, anstatt ausschließlich Teil des Problems zu sein.

Auf diesem Weg sind auch ERP- und MES-Lösungen gefordert, zukünftig unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten mehr zu leisten. Dazu zählt in erster Linie, die Energie- und Materialeffizienz zu steigern, eine Kreislaufwirtschaft zu unterstützen und vorrangig umweltfreundliche Energiearten zu nutzen. Hierfür bedarf es der Nutzung weiterer Daten, die mit der zunehmenden Integration aller Anwendungen und der fortschreitenden Digitalisierung verfügbar werden. Die Industrie ist gefordert, hieraus Wissen über die betrieblichen Zusammenhänge und Prozesse zu generieren und unter Nachhaltigkeitsaspekten zu nutzen.

Schon heute stehen in modernen ERP-MES-Lösungen fortschrittliche Algorithmen zur Verfügung, mit denen Unternehmen auch unter Umweltaspekten Mengen und Termine bestimmen, Reihenfolgen optimieren und Ressourcen bestmöglich nutzen. KI-gestützte Prognosen zukünftiger Bedarfe helfen, Überproduktion und Verschwendung zu vermeiden.

Über die eigenen Abläufe hinaus wird der CO2-Footprint der Produktion und der hergestellten Erzeugnisse um die Angaben aus Zulieferungen und der gesamten Lieferkette ergänzt. Da die Datenerhebung an unterschiedlichsten Stellen erfolgt, muss sie für eine realistische Bewertung und Auswertung zusammengeführt werden. Für diese übergeordnete Datenkonsolidierung bietet sich das ERP-System an, da hier die meisten Daten entstehen. Auf Basis der Ergebnisse optimieren Unternehmen ihre eigenen Prozesse und halten Nachhaltigkeitsziele ein (vgl. Sustainable Development Goals).

Ressourcenschonende Prozesse und Technologien, Up- und Recycling sowie die breite Nutzung regenerativer Energien und moderne ERP- und MES-Lösungen mit nachhaltiger Ausrichtung können den Weg in die Zukunft ebnen.

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Portrait Karl Tröger

Karl Tröger

Business Development Manager PSI Automotive & Industry GmbH

Seit mehr als 20 Jahren ist Karl Tröger bei der PSI Automotive & Industry. In dieser Zeit hat er sich mit allen Aspekten von ERP-Software befasst und war in führenden Positionen in Entwicklung, Beratung und Marketing tätig. Heute versteht er sich als Bindeglied zwischen Kunden, Markt, Wissenschaft sowie Software-Entwicklung und Marketing. Der Diplom-Ingenieur der Elektronik und Nachrichtentechnik ist an der von der Bundesregierung initiierten Plattform Industrie 4.0 beteiligt und veröffentlicht regelmäßig vielbeachtete Publikationen über die Zukunft von fertigungsnaher Software.