PSI Blog

Dreamteam ERP & KI? - Mehrwert und praktischer Nutzen

06.04.2020 - Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Produktion

Welche praktische Anwendungen, Mehrwerte und Vorgehen gibt es in Hinblick auf KI und ERP? © iStock/Zapp2Photo
Welche praktische Anwendungen, Mehrwerte und Vorgehen gibt es in Hinblick auf KI und ERP? © iStock/Zapp2Photo

Der Einsatz von Methoden und Algorithmen der Künstlichen Intelligenz (KI) in industriellen Anwendungen wird immer wichtiger. Erste Nutzer von ERP-Systemen springen auf den Zug auf und profitieren von integrierten KI-Anwendungen. Damit ergeben sich individuelle Fragen im Hinblick auf die richtige Datenverarbeitung, besonders erfolgsversprechende KI-Ansätze und die Bewertung des Reifegrads von Anwendungen.

Schnelle Ausbreitung von KI durch neue Technologien

Das Thema KI, wie es heute bekannt ist, ist an sich nicht neu. Erste, ernstzunehmende Ansätze lassen sich bereits auf Veröffentlichungen aus den 1950er bis 1970er Jahren zurückführen. Auch die Grundidee neuronaler Netze entstand zu der Zeit. Für die tatsächliche Nutzung dieser Methoden und Algorithmen war die nötige Rechentechnik allerdings noch weit entfernt.

Erst mit der massiven Steigerung der Leistungsfähigkeit der IT (z. B. Nutzung der Grafikprozessoren für die Ausführung von Algorithmen) und den heutigen Möglichkeiten der automatisierten Erfassung und Bewertung großer Datenmengen wurde die Technologie anwendungstauglich. Hinzu kommen die nach und nach entstandenen Software-Frameworks, die eine Integration in Anwendungen deutlich erleichtern. Beispielhaft genannt sei hier TensorFlow von Google oder das Microsoft Cognitive Toolkit. Generell kann festgestellt werden, dass die Technologien „ingenieurstauglich“ geworden sind.

Datenverarbeitung der Zukunft

Die Datenverarbeitung funktioniert noch immer nach den gleichen Grundprinzipien wie seit der Einführung der Lochkarte als Vorstufe der heutigen Unternehmens-IT. Die grundlegenden Fähigkeiten eines EDV-Systems können zu einer ersten Vereinfachung eines Nutzungsmodells herangezogen werden: „Eingabe – Verarbeitung – Ausgabe“. Unter den heutigen modernen Bedingungen lassen sich diese Grundfähigkeiten als „Wahrnehmen – Verstehen – Handeln“ formulieren.

Das wirklich Neue ist die modellhafte Ergänzung um die Komponenten „Lernen“ und „Verstehen“. Heutige Verarbeitungslogiken basieren auf fest programmierten, starren Regeln und Logiken. Im Gegensatz dazu zeichnen sich KI-basierte Systeme durch die Möglichkeit des Lernens von Zusammenhängen durch fortgesetztes Trainieren der KI-Algorithmen aus. In den Alltag einbezogen sind bereits Spracherkennungs- und Wiedergabesysteme (Speech-to-text, Text-to-Speech) oder auch die Bildverarbeitung und Bilderkennung. Lernende Komponenten sind der konsequente nächste Schritt.

KI-basierte Systeme zeichnen sich durch die Möglichkeit des Lernens von Zusammenhängen durch fortgesetztes Trainieren der KI-Algorithmen aus.

Gerade im Umfeld von ERP-Systemen gibt es allerdings noch einige Hürden zu überwinden. Die Datenstrukturen sind uneinheitlich und bestehen oftmals aus gewachsenen komplexen Strukturen. Die Menge an zeitsynchronen Daten als Trainingsgrundlage reicht vielfach nicht aus. Hier müssen die Algorithmen durch die Hilfestellung von Menschen unterstützt werden (z. B. Richtig-Falsch, Ursache-Wirkung). Diese Aufgabenstellung bzw. Tätigkeit ist unter dem Begriff Reinforcement Learning bekannt. Allerdings gibt es noch zu wenige Experten in diesem Bereich.

Datenverarbeitung der Zukunft: Wahrnehmen - Verstehen - Handeln. © PSI Automotive & Industry
Datenverarbeitung der Zukunft: Wahrnehmen - Verstehen - Handeln. © PSI Automotive & Industry

KI-Anwendungsfälle im ERP-Kontext

Die Lösung vieler typischer Aufgabenstellungen lässt sich durch Methoden der künstlichen Intelligenz unterstützen bzw. vereinfachen. Aktuell lassen sich fünf besonders vielversprechende Felder identifizieren:

1. Aus RPA wird CPA

Wiederholende Tätigkeiten oder Abläufe können automatisiert werden. Eingeprägt haben sich die Begriffe RPA (Robotic Process Automation) für nach festen Regeln ablaufende Prozesse oder auch CPA (Cognitive Process Automation) als „lernfähige“ Erweiterung zu RPA. Der Nutzen besteht hierbei in der Automatisierung der Prozesse und dem daraus resultierenden Zeitgewinn.

2. Den Anwender intelligent unterstützen

Ein anderer Aspekt ist die mögliche Verbesserung der User Experience. Sinnvolle Eingaben in Formulare oder Masken werden erlernt und zur Vorbelegung von Datenfeldern genutzt. Anwender können so unterstützt werden und fühlen sich sicherer bei der Nutzung oft komplexer Systemfunktionen und die Wahrscheinlichkeit von Fehleingaben kann gesenkt werden.

3. KI-basiertes Stammdatenmanagement

Weitere Potentiale schlummern im Stammdatenmanagement. Ähnliche Strukturen lassen sich erkennen und Dubletten werden vermieden. Daten können automatisch klassifiziert und aufbereitet werden.

4. Analytics mit Künstlicher Intelligenz verbessern

Kennzahlensysteme werden schrittweise intelligent und lösen selbständig Ereignisse bei Abweichungen von der täglichen Routine aus oder es werden irreguläre Zustände in Prozessen, Maschinen oder Anlagen vorhersehbar (Prädiktion). Zuverlässige Prognosen treten damit an die Stelle von prinzipiell verspäteten post-mortem-Analysen. Nicht zu unterschätzen sind die frühzeitige Erkennung von Trends z. B. im Kundenverhalten oder den Marktverhältnissen generell – um nur einige Beispiele zu nennen.

5. Automation mit Bildererkennung

Eine gut eingeführte Technologie ist die Bilderkennung. Sie kommt schon heute in Qualitätsmanagementsystemen oder auch zur Lagerkennung von Objekten in automatisierten Produktionssystemen zur Anwendung.

Zur optimierten Produktionssteuerung von Prozessen in der Reifenindustrie werden mit KI die für die automatische Bilderkennung notwendigen Test- und Validierungsdaten gelernt. Quelle: PSI

Reifegradsteigerung von Künstlicher Intelligenz

Die Einführung der Technologie sollte schrittweise erfolgen. So können Erfahrungen gesammelt und Fehler vermieden werden. Besonders wichtig ist auch Vertrauen in die Anwendung zu schaffen. Es geht nicht darum, alles komplett zu verstehen. Die Ergebnisse müssen „angemessen“ und „vertrauenswürdig“ sein. Gerade in den frühen Jahren gab es an dieser Stelle Defizite, die eine Ausbreitung zu dieser Zeit verhindert haben. Gut geeignet sind sich wiederholende Prozesse. Bei Abweichungen greift der Mensch ein und unterstützt auf diese Weise den Lernprozess der KI und versteht gleichzeitig besser wie die Ergebnisse entstehen. Die letzte Entscheidung liegt hier noch bei den involvierten Menschen.

Besonders wichtig ist es Vertrauen in die Anwendung zu schaffen.

Das fortgesetzte Trainieren eines Algorithmus sorgt für ein immer besseres Verständnis der Daten und die Reaktion auf Abweichungen muss nicht mehr in jedem Fall überprüft werden. Entscheidungen werden mehr und mehr an die KI „delegiert“. Diese Vorgänge sind vergleichbar mit den Lernprozessen von Menschen an ihrem Arbeitsplatz und der immer größer werdenden Eigenverantwortung.

Die letzte Stufe sind dann komplett autark arbeitende Anwendungen deren Ergebnisse entweder direkt weiterverarbeitet oder auch zur Prozesssteuerung verwendet werden können. Die getroffenen Entscheidungen müssen dann genauso gut oder besser als die von Menschen sein. Hierzu sind allerdings noch weitere Arbeiten in der anwendungsorientierten Forschung zu leisten. Das Umfeld solcher Algorithmen muss nicht nur aus technologischer, sondern auch aus ethischer und regulatorischer Sicht beleuchtet werden.

Die wichtigsten KI-Trends im Überblick

  • Algorithmen versetzen KI heute in die Lage durch fortgesetztes Training Zusammenhänge zu verstehen und zu lernen.
  • ERP-Systeme sind ein anspruchsvolles Einsatzfeld für KI: Uneinheitliche Datenstrukturen und historisch gewachsene Strukturen erschweren der KI die Arbeit, sodass sie in heutigen Anwendungen oft auf menschliche Hilfe angewiesen ist (Reinforcement Learning).
  • Konkreter Anwendungsfall I: RPA (Robotic Process Automation) und CPA (Cognitive Process Automation). Unternehmen profitieren von der Automatisierung in Form deutlicher Zeitgewinne.
  • Konkreter Anwendungsfall II: Unterstützung von Anwendern, indem sinnvolle Eingaben in Formulare oder Masken erlernt und zur Vorbelegung von Datenfeldern genutzt werden.
  • Konkreter Anwendungsfall III: Automatisiertes Stammdatenmanagement (z. B. Dublettenerkennung bis zur Trenderkennung).
  • Konkreter Anwendungsfall IV: KI-verbesserte Analysen, die Muster und Trends erkennen und Kennzahlensysteme intelligent machen.
  • Konkreter Anwendungsfall V: Bilderkennung wird schon im Qualitätsmanagementsystemen oder zur Lagerkennung von Objekten eingesetzt.
  • Die Einführung der Technologie sollte schrittweise erfolgen. So können Erfahrungen gesammelt und Fehler vermieden werden.
  • Die letzte Entscheidung im Prozess liegt nach wie vor bei den involvierten Menschen.

Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?

Karl Tröger

Business Development Manager PSI Automotive & Industry GmbH

Seit mehr als 20 Jahren ist Karl Tröger bei der PSI Automotive & Industry. In dieser Zeit hat er sich mit allen Aspekten von ERP-Software befasst und war in führenden Positionen in Entwicklung, Beratung und Marketing tätig. Heute versteht er sich als Bindeglied zwischen Kunden, Markt, Wissenschaft sowie Software-Entwicklung und Marketing. Der Diplom-Ingenieur der Elektronik und Nachrichtentechnik ist an der von der Bundesregierung initiierten Plattform Industrie 4.0 beteiligt und veröffentlicht regelmäßig vielbeachtete Publikationen über die Zukunft von fertigungsnaher Software.

+49 30 2801-2003
ktroeger@psi.de