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Das Gold des 21. Jahrhunderts - Digitale Daten aus Fahrzeugen

27.01.2021 - Technologie, Verkehr, Künstliche Intelligenz

Quelle: Archivist/Adobe Stock, peterschreiber.medie/adobe Stock (bearbeitet durch PSI)

„Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts“ – dieser Satz ist mittlerweile in aller Munde. Doch sind es wirklich die Daten an sich, die ihren Wert ausmachen? Was im Goldrausch der früheren Jahrhunderte Schaufeln waren, sind heutzutage Methoden der Big-Data-Analyse. Die „digitalen Schaufeln“ von heute, graben ebenfalls nach Datenschätzen, um wertvolle Informationen daraus zu ziehen. „Big Data“ wird damit zu „Smart Data“. Nicht die Rohdaten sind das neue Gold, sondern die daraus gewonnenen Informationen.

Der digitale Datenschatz im Fahrzeug

In Schienenfahrzeugen und Bussen des öffentlichen Verkehrs fallen eine Vielzahl unterschiedlicher Daten an. Das umfasst

  • Sensordaten und Kennwerte aus der Fahrzeugsteuerung,
  • Standort- und Pünktlichkeitsdaten aus RBL- und Fahrgastinformationssystemen bis hin zu 
  • Daten aus Fahrassistenz- und Überwachungssystemen.

Ein Großteil der digitalen Datenschätze im Fahrzeug schlummert noch ungenutzt in den Speicherchips von unzähligen Sensoren und Systemkomponenten. Und selbst wenn sie gesammelt und in Datenbanken gespeichert werden, sind die wertvollen Informationen oft in einer unübersehbaren Menge redundanter Daten verborgen. 

Goldwäsche: Daten intelligent filtern und auswerten

Damit aus den Rohdaten auswertbare Informationen gewonnen werden können, ist als erster Schritt meist eine Vorfilterung erforderlich. Dieser Filterprozess ist stark vom jeweiligen Anwendungsfall abhängig und kann über die Zeit veränderten Anforderungen unterworfen sein.

Aus den vorgefilterten Rohdaten werden mithilfe unterschiedlicher Tools und Methoden (z. B. Zeitreihenanalyse, Data-Mining, Business Analytics) die gewünschten Informationen extrahiert und in nachgelagerten Backoffice-Systemen weiterverarbeitet.

Im Zuge der Digitalisierung von Geschäftsprozessen führt die intelligente Datenauswertung zu höherer Qualität, Transparenz und Sicherheit. Papier wird weitgehend überflüssig.

Durch intelligentes Filtern und Auswerten wird Durch intelligentes Filtern und Auswerten wird Big Data zu Smart Data. Quelle: Alex/Shutterstock (bearbeitet durch PSI)Big Data zu Smart Data. Quelle: Alex/Adobe Stock (bearbeitet durch PSI)
Durch intelligentes Filtern und Auswerten wird Big Data zu Smart Data. Quelle: Alex/Shutterstock (bearbeitet durch PSI)

Die Herausforderung standardisierter Systemarchitektur und Schnittstellen

Damit die Rohdaten in vergleichbarer Weise hersteller- und nutzerübergreifend erhoben und verarbeitet werden, ist eine Standardisierung der Systemarchitektur und Schnittstellen erforderlich. 

In den Fahrzeugen existieren neben dem weitverbreiteten CAN (Controller Area Network)-Bus eine Reihe weiterer Feldbusse wie z. B. Profibus, WorldFIP und Bitbus.

Der Trend geht hierbei zur Ablösung dieser durch Industrial Ethernet und IP-basierte Kommunikation, außer für zeit- und sicherheitskritische Steuerungsaufgaben.

2002 haben sieben europäische Nutzfahrzeughersteller den FMS-Standard (Flotten-Management-Schnittstelle) aus der Taufe gehoben, mit welchem bestimmte Fahrzeugdaten für Drittanbieter zugänglich gemacht werden. Allerdings steht über FMS nur ein kleiner Prozentsatz aller im Fahrzeug vorhandenen Telematikdaten zur Verfügung.

Das Auslesen weiterer Daten aus den internen Feldbussen wird von den Fahrzeugherstellern weitgehend unterbunden. Das ist insofern verständlich, da diese Daten ggf. Rückschlüsse auf die interne Funktionsweise und die Qualität der einzelnen Fahrzeugkomponenten erlauben. Hier ist eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Fahrzeughersteller und der Nutzer zu treffen.

Bei Schienenfahrzeugen sind die Herausforderungen noch größer. Zwar existieren auch genormte Feldbusse, z.B. MVB (Multifunction Vehicle Bus) bzw. WTB (Wire Train Bus), die übertragenen Nachrichten und Fehlercodes sind jedoch hersteller- und gerätespezifisch.

Umso wichtiger ist es, die Standardisierungsaktivitäten gemeinsam mit den Fahrzeugherstellern weiter voranzutreiben und die Daten-Spezifikationen, an denen die Nutzer ein berechtigtes Interesse haben, zu erweitern.

Neue Anforderungen durch E-Mobilität

Der FMS-Standard ist auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ausgerichtet. Im Zeitalter der Elektromobilität ändern sich die Anforderungen an die benötigten Fahrzeugdaten, z. B. beim Lademanagement von Elektrobussen.

Neben dem altbekannten SOC (State-of-Charge) gibt es noch eine Vielzahl weiterer Parameter, z. B.

  • den SoH (State-of-Health)
  • den Ladedurchsatz und
  • die Batteriezellenspannung und -temperatur.

Diese Werte sind für ein intelligentes Lademanagement, welches nicht nur die Ladezeiten optimiert, sondern auch die Lebensdauer der Batterie im Blick hat, von großem Interesse.

Neuer Standardisierungsansatz mit ITxPT

Der gemeinnützige Verband ITxPT , dem auch die PSI Transcom kürzlich beigetreten ist, hat sich zum Ziel gesetzt, die Standardisierung auf dem Gebiet der IT-Anwendungen für den ÖV voranzutreiben. ITxPT (Information Technology for Public Transport) verfolgt dabei konsequent einen datenbezogenen Ansatz, unabhängig von der im Fahrzeug eingesetzten Hardware. 

Mit dem TiGR-Protokoll (Telediagnostic for Intelligent Garage in Real-time) wurde ein Grundstein für die Standardisierung im Bereich der Fahrzeug- und Diagnosedaten gelegt. Aber hier besteht noch Erweiterungsbedarf, z. B. im Hinblick auf die Elektromobilität.

Datendrehscheibe für Fahrzeugdaten – Vehicle Data Center

Um die in den Rohdaten enthaltenen Informationen nutzbar zu machen entwickelt die PSI Transcom GmbH das VDC (Vehicle Date Center) als strukturierte Datenplattform für Fahrzeugdaten.

Zunächst geht es darum, die vorhandenen Roh-Daten im Fahrzeug

  • zu akquirieren,
  • zu filtern und
  • in definierter Form abzulegen.

Die Schnittstelle des VDC zur Datenakquise ist entweder

  • eine im Fahrzeug installierte Telematik-Box, welche den Datenverkehr auf den Feldbussen „abhört“ bzw. Sensordaten direkt aufnimmt, oder
  • eine Verbindung zum IT-Backbone des Systemlieferanten bzw. Fahrzeugherstellers, der diese Daten bereits durch eigene OEM-Lösungen in sein Hintergrundsystem übertragen hat.

Beide Varianten werden vom VDC unterstützt.

In der Regel ist bei der Datenakquise ein Filter erforderlich, welcher aus dem verfügbaren Datenstrom die gewünschten Rohdaten in der erforderlichen Granularität extrahiert. Idealerweise lässt sich dieser Filter online bzw. via Funk (Over-the-Air) konfigurieren, um zur Laufzeit flexibel auf unterschiedliche Datenerfordernisse zu reagieren.

Die gefilterten Rohdaten werden zunächst im „Big-Data-Bereich“ des VDC gespeichert. Über variabel aufrufbare Tools können dann verschiedene Methoden zur Datenanalyse, beispielweise Qualitatives Labeln und KPI-Analyse, angewendet werden.

Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen im Bereich KI-basierter Software sind dafür z.B. die Deep Qualicision Tools der PSI geeignet.

Die aufbereiteten Daten (Smart Data) werden entweder an Übersichtsdarstellungen im System (Dashboards) oder zur Weiterverarbeitung an nachgelagerte Systeme (z. B. Depot- und Werkstattmanagement) weitergeleitet.  

Nutzerübergreifende Anwendungen ermöglichen

Das VDC ist in der Lage, unterschiedliche Datenquellen zusammenzuführen und gemeinsam auszuwerten. Bei der Speicherung der Rohdaten kann der Eigentümer der Daten Nutzungs- und Zugriffsrechte vergeben.

Es werden nicht nur Datenschutz und -sicherheit gewährleistet, sondern auch nutzerübergreifende Analysen ermöglicht.

Es kann beispielsweise vorkommen, dass mehrere Verkehrsbetriebe denselben Fahrzeugtyp unter ähnlichen Bedingungen betreiben und sie sich die entsprechenden Nutzungsrechte an den erhobenen Daten einräumen. An dieser Stelle können Analysen auf Basis einer nutzerübergreifenden Datenmenge durchgeführt und dadurch die Vorhersage künftiger Ereignisse, z. B. für die vorausschauende Wartung, verbessert werden.

Die aufbereitetet Daten werden z.B. an Werkstattmanagement-Systeme weitergeleitet. Quelle: PSI
Die aufbereitetet Daten werden z.B. an Werkstattmanagement-Systeme weitergeleitet. Quelle: PSI

Forschungsvorhaben „Standardisierte Fahrzeugdaten-Plattform“

Im Rahmen eines Forschungsvorhabens sollen die Schnittstellen und die Architektur des VDC in enger Zusammenarbeit mit Fahrzeugherstellern, potentiellen Nutzern und dem  ITxPT-Verband standardisiert und weiterentwickelt werden.

Dabei werden vor allem

  • die ITxPT-konforme Integration verschiedener Datenquellen,
  • die anwenderübergreifende Nutzbarkeit der Daten,
  • die Anwendung verschiedener Plug-Ins (KI-Toolbox) zur Datenanalyse und
  • die Entwicklung von Datenvalidierungs-Tools

im Fokus stehen. Das Vehicle Data Center entwickelt sich somit zum zentralen Werkzeug, um aus den Rohdaten wertvolle Goldnuggets zu schürfen.

Profitieren werden davon vor allem die Anwender, z. B. Verkehrsunternehmen und -verbünde, die in den Genuss herstellerübergreifender Lösungen kommen.

Sie wollen nähere Informationen zu dem Thema Vehicle Data Center? Kontaktieren Sie einfach unseren Experten und lassen Sie sich ausführlich beraten.

Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?

Michael Preusker

Innovation Manager
PSI Transcom GmbH