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Optimierte Instandhaltung: KI ermittelt intelligente Wartungstermine

26.08.2021 - Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz, Produktion, Technologie

Quelle: AdobeStock/zapp2photo, bearbeitet durch PSI

Störungen vermeiden – ist seit jeher die Devise in der Produktion. Ihre Relevanz ist durch die zunehmende Automation von Maschinenparks und Produktionssystemen kontinuierlich gewachsen. Umso mehr kommt es darauf an, optimierte Wartungsstrategien zu definieren, die gleichzeitig den Anforderungen an Agilität, Effizienz und Ressourcenschonung gerecht werden. Dazu zählt auch, geplante Stillstände auf ein Minimum zu reduzieren. Hier unterstützen integrierte Ansätze, die KI-basierte Instandhaltungsmodule mit den etablierten Systemen nahtlos miteinander vernetzen.

Hohe Verfügbarkeit und optimierte Auslastung: Das sind zwei wesentliche Erfolgsfaktoren für Unternehmen, die umfangreiche Maschinenparks oder automatisierte Produktionssysteme betreiben. Für sie kommt es darauf an, Störungen zu vermeiden und Stillstandzeiten zu minimieren – denn Stillstände beeinflussen direkt die Auslastung.

Mit einer geringeren Auslastung sinkt die Overall Equipment Effectiveness (OEE), während die Produktionskosten steigen.

Um unerwünschte und teure Unterbrechungen des Produktionsflusses zu verhindern, haben Unternehmen in der Vergangenheit oftmals zyklische oder vorbeugende Wartungsmaßnahmen ergriffen. Diese Form der Risikominimierung lässt den tatsächlichen Zustand der Maschinen und Anlagen außer Acht. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass unnötige Kosten entstehen – nicht nur aufgrund der geringeren Verfügbarkeit durch die zusätzlichen, wenn auch geplanten, Stillstände. Auch der hohe Bedarf an Ersatzteilen oder die notwendige Beauftragung eines externen Wartungspartners verursachen hohe Kosten.

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Wartungsstrategie auf Basis einer Bewertung der Maschinen und Anlagen

Durch die Verfügbarkeit von immer mehr Daten aus dem Produktionsprozess und seinem Umfeld sind in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Möglichkeiten und Freiheitsgrade zur intelligenten und automatisierten Festlegung von Wartungsstrategien hinzugekommen. Ratsam ist vor diesem Hintergrund die Entwicklung einer Wartungsstrategie, die auf einer Bewertung der Maschinen und Anlagen beruht und aus der Menge der praktisch bewährten Ansätze abgeleitet wird (siehe Abb. 1).

  • Total Productive Maintenance (TPM): Fortlaufende und ungeplante Wartung im Produktionsprozess mit Protokollierung der Aktivitäten
  •  Condition Based Maintenance (CBM): Von Messwerten und Zuständen abhängige unterschiedliche Wartungsmaßnahmen
  • Preventive Maintenance (PM): Vorbeugende (planbare) zustandsunabhängige und zyklische Wartung nach Vorschriften oder Erfahrungswerten zur Risikominimierung
  • Predictive Maintenance (PdM): Vorhersagbare nicht zyklische Wartungsaktivitäten auf der Basis von Erfahrungen und Berechnungen
  •  Risk Based Maintenance (RBM): reine Instandsetzung nach Ausfall
  •  Reliability Centered Maintenance: Erreichung einer Zielverfügbarkeit durch Analyse und abgeleitete Maßnahmen (Inspektion, Wartung, Reparatur)

Hierbei gilt es zu beachten, dass eine Wartungsstrategie auch nur temporär sinnvoll sein kann. Eine solche zeitliche Begrenzung ist z. B. für saisonal genutzte Anlagen, Fahrzeuge oder Ausrüstungen denkbar. Doch auch generell beinhaltet die Betrachtung der vorgenannten Faktoren einen zeitlichen Aspekt, durch den Unternehmen gefordert sind, ihre Strategien kontinuierlich zu überprüfen und ggf. anzupassen. Relevant sind bspw. die Änderung von Nutzungsarten, neu verfügbares Equipment oder die Beseitigung von Engpässen, durch die sich kritische Ressourcen als unkritisch einstufen lassen. Einfluss auf die Wartungsstrategie haben nicht zuletzt auch Umbauten an Maschinen und Anlagen, die zu einer höheren Stabilität und Verfügbarkeit führen und bisher kritische Ausfälle vermeiden.

Abbildung 1: Equipment Assessment zur Festlegung der Wartungsstrategie. Quelle: PSI Automotive & Industry
Abbildung 1: Equipment Assessment zur Festlegung der Wartungsstrategie. Quelle: PSI Automotive & Industry

Kontinuierliche Bewertung der Wartungsstrategie

Ist die Wartungsstrategie festgelegt, erfolgt eine kontinuierliche Bewertung der Wirksamkeit der daraus abgeleiteten Maßnahmen. Gleiches gilt für die Einhaltung von vertraglichen oder unternehmensinternen Vorgaben. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen Prozesszeiten und – Kennzahlen (Key Performance Indicators, KPI), die einen Mittelwert für die betrachtete Periode darstellen. Die Entwicklung dieser Daten über die Zeit liefert entscheidende Hinweise auf die Wirksamkeit von Wartungsmaßnahmen und den Reifegrad der Organisation.

Auf diese Weise lässt sich auch der Grad der Erfüllung von Wartungsverträgen kontrollieren – entsprechend den definierten Zielvorgaben (Service Level Objectives, SLO) und Indikatoren (Service Level Indicators, SLI) (Abbildung 2). Diese – inzwischen als „Service Level Agreements“ (SLAs) etablierten Wartungsverträge – enthalten neben kommerziellen Randbedingungen auch Vereinbarungen über Reaktionszeiten zu bestimmten Ereignissen, zur Einordnung von Vorfällen nach Schwere und Priorität sowie zu erwarteter Verfügbarkeit der Systeme oder Produktionsanlagen.

Abbildung 2: Prozesszeiten als Indikatoren für das Wartungsmanagement. Quelle: PSI Automotive & Industrie
Abbildung 2: Prozesszeiten als Indikatoren für das Wartungsmanagement. Quelle: PSI Automotive & Industrie

Künstliche Intelligenz in Einklang mit etablierten Systemen

Die Systemarchitektur für die Umsetzung einer optimierten zustandsbasierten Wartungmithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz könnte wie folgt aussehen (vgl. Abbildung 3):

  • Die Eingangsdaten (Features) gelangen von einer Vielzahl numerischer und kategorischer Datenquellen aus dem Shopfloor-Bereich sowie von ERP-System, Scheduling-Lösung und MES über entsprechende Schnittstellen in das KI-Modul.
  • Anhand der gelieferten Daten schätzen Modelle den Zustand des jeweiligen Assets und berechnen Vorhersagen für instandhaltungsrelevante Maßzahlen und Zeiten (z. B. TTF, TTR) sowie deren zeitliche Mittelwerte (z. B. MTTF, MTTF). Ebenso enthalten: eine Klassifizierung der Dringlichkeit einer durchzuführenden Wartung.
  • Diese Information gelangt ins ERP-System und führt zur Auslösung eines entsprechenden Wartungsauftrags – angereichert um sämtliche Informationen, die zum konkreten Asset vorhanden sind.
  • Im nächsten Schritt erfolgt die Weitergabe an die Scheduling-Lösung, die den Auftrag einplant.
  • Im Anschluss übernimmt den eingeplanten Wartungsauftrag das MES-System und steuert dessen Durchführung unter Nutzung der entsprechenden Interaktionsmöglichkeiten mit den Mitarbeitern in der Fertigung.
  • Alle integrierten Systeme – ERP-System, Scheduling-Lösung und MES – liefern ihrerseits wieder Informationen an das KI-Modul zurück.
Abbildung 3: Systemarchitektur für die Umsetzung des Anwendungsfalls „Optimierte zustandsbasierte Wartung“. Quelle: PSI Automotive & Industry
Abbildung 3: Systemarchitektur für die Umsetzung des Anwendungsfalls „Optimierte zustandsbasierte Wartung“. Quelle: PSI Automotive & Industry

PSI-Gesamtlösung ermittelt sinnvolle Wartungstermine

Die PSI-Gesamtlösung bietet auf der Grundlage von relevanten und gelabelten Maschinendaten KI-basierte Werkzeuge zur Ermittlung von sinnvollen Wartungsterminen als Ergänzung zu den PSI-eigenen ERP- und MES-Lösungen an. Neben den Maschinendaten fließen Daten aus Aufträgen, Materialien, Qualitätsdaten und der Wartungshistorie sowie erwartete Nutzungsdaten aus bereits eingeplanten Aufträgen ein. Sämtliche Wartungsdaten fließen wieder in den Prozess ein und verbessern kontinuierlich die Vorhersagen zu notwendigen Wartungsaktivitäten.

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Zur Anwendung kommen Methoden des Deep Learning und der erweiterten Fuzzy-Logik. Die Bewertung der Daten erfolgt durch ein qualitatives Labeln. Hierdurch lassen sich nicht nur komplexe Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Faktoren und Bedingungen identifizieren und berücksichtigen. Auch unternehmerische Aspekte wie die Kritikalität einer Anlage können durch unterschiedliche Gewichtung einzelner Kriterien betrachtet werden.

Intelligente Instandhaltung verschafft Wettbewerbsvorteile

Agilität, Effizienz und Ressourcenschonung gelten auch in der Instandhaltung als erfolgsrelevante Faktoren. Eine rein zyklische, geplante Wartung kann diesen Anforderungen nicht mehr entsprechen. Zumal inzwischen eine ausreichend große Datenbasis zur Verfügung steht und die Basis für präzisere Entscheidungen liefert. Zur Auswertung dieser Daten und ihrer komplexen Wechselwirkungen sowie zur Ermittlung sinnvoller Wartungstermine empfehlen sich KI-basierte Module. Diese bilden im Zusammenspiel mit den etablierten IT-Lösungen ein effizientes Gesamtsystem, das Unternehmen echte Wettbewerbsvorteile verschafft.

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Portrait Karl Tröger

Karl Tröger

Business Development Manager PSI Automotive & Industry GmbH

Seit mehr als 20 Jahren ist Karl Tröger bei der PSI Automotive & Industry. In dieser Zeit hat er sich mit allen Aspekten von ERP-Software befasst und war in führenden Positionen in Entwicklung, Beratung und Marketing tätig. Heute versteht er sich als Bindeglied zwischen Kunden, Markt, Wissenschaft sowie Software-Entwicklung und Marketing. Der Diplom-Ingenieur der Elektronik und Nachrichtentechnik ist an der von der Bundesregierung initiierten Plattform Industrie 4.0 beteiligt und veröffentlicht regelmäßig vielbeachtete Publikationen über die Zukunft von fertigungsnaher Software.

+49 30 2801-2003
ktroeger@psi.de

Dr. Ing. Thomas Müller

Seit mehr als 25 Jahren ist Dr.-Ing. Thomas Müller in der Entwicklung von Software und Systemen für die Fertigungssteuerung tätig. Nach vielen Jahren in der Halbleiter- und High-Tech-Industrie entwickelt er seit 2017 für die PSI Automotive & Industry GmbH im Rahmen der MES-Entwicklung tragfähige Visionen für die Produktion von morgen. Der Doktor der Ingenieurwissenschaften nimmt an verschiedenen Forschungsprojekten teil und beschäftigt sich mit Themen rund um Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen, Leading-Edge-Technologien sowie Industrie 4.0.

tmueller@psi.de