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Künstliche Intelligenz in der Fertigungssteuerung

27.06.2018 - Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Produktion

KI in der Produktion ©ThinkstockPhotos, PhonlamaiPhoto, iStock
KI in der Produktion ©ThinkstockPhotos, PhonlamaiPhoto, iStock

Kaum ein Thema hat aktuell eine so starke Präsenz in den Diskussionen zur Digitalisierung wie die Künstliche Intelligenz (KI). Vielfach wurde in der Vergangenheit die Thematik in den Kontext menschlicher Wertvorstellungen oder Aufgabenstellungen gebracht. Beispiele hierfür sind etwa der Computer HAL 9000 in "2001: Odyssee im Weltraum", Nummer 5 in "Nummer 5 lebt!" oder der Roboter in Fritz Langs "Metropolis".

Reifeprozess abgeschlossen?

Heute, nach einem Reifeprozess, gibt es viel konkretere Ansatzpunkte und die Technologien werden anwendbar. Autonomes Fahren und Sprachsteuerungen wie Alexa, Siri oder Cortana werden bereits breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Es geht hier also um Komfortfunktionen, die den menschlichen Alltag erleichtern sollen und dies aller Voraussicht nach auch tun (werden).

Jenseits der konsumentenorientierten Betrachtungsweise lassen sich aber auch Technologien ausmachen, die den Unternehmensalltag nachhaltig beeinflussen werden. Es ist bereits heute erkennbar, dass viele der zukünftigen Aufgabenstellungen ohne KI nicht oder nur unzureichend lösbar sein werden. Hierbei geht es um Aufgaben unter Rahmenbedingungen, die so in der Vergangenheit nicht existiert haben. Agilität in der Produktion oder Entscheidungsunterstützung in Echtzeit sind Beispiele dafür.

ERP, MES & Big Data

Manufacturing Execution- und ERP-Systeme bilden den Backbone produzierender Unternehmen. Von ihnen gehen heute alle Aktivitäten zur Herstellung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen aus.

Mit der zunehmenden Integration der Prozesse entlang von Wertschöpfungsnetzwerken (horizontal) und der durchgängigen Integration vom Fertigungsprozess bis zum ERP (vertikal) werden gleichzeitig immer mehr Daten verfügbar.

Die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Informationen sind vielfach bekannt. Die ERP- und ME-Systeme geben den erhobenen oder generierten Daten quasi den Kontext, in dem sie zu verstehen sind. Die zunehmende Dynamik der Prozesse und ständig wechselnde, teilweise auch unsichere, Bedingungen erschweren das Erschließen von Informationen aus den gegebenen Daten allerdings.

KI in der Produktion

Produktionsanlagen können mittlerweile Unmengen an Daten über ihren aktuellen Zustand bereitstellen. Damit gelangen klassische Analysemethoden aber an ihre Grenzen. Der Übergang von der reinen Überwachung zur Vorhersage von Zuständen wird in den Unternehmen immer schwieriger. Die Regeln dafür sind zunehmend komplexer und die Datenbasis ist zu umfangreich, als dass Menschen damit umgehen könnten. Die Gewinnung von Erkenntnissen und daraus abgeleitet die Entscheidungsfindung wird immer schwieriger. Hier sind Ansatzpunkte für KI-Methoden. Es wird beispielsweise immer mehr darauf ankommen, in kürzer werdenden Zeiträumen Entscheidungen zu treffen.

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung oder fortlaufende Anwendung von Methoden aus dem Bereich der KI ist eine solide, verlässliche und wachsende Datenbasis. Es sind statistisch signifikante Mengen an zeitsynchronen Daten notwendig. Andernfalls haben Data Fusion, Data Mining oder andere Methoden der Datenkonsolidierung keine Chance, relevante Daten zu generieren.

So wie eine humane Intelligenz im Laufe der Zeit Erfahrungen sammelt und lernt, Entscheidungen zu treffen, muss die KI auf der Grundlage großer Datenmengen diesen Prozess ebenfalls durchlaufen.

KI für ERP und MES ©ThinkstockPhotos, PhonlamaiPhoto, iStock
KI für ERP und MES ©ThinkstockPhotos, PhonlamaiPhoto, iStock

KI-Technologien im Überblick

Folgerichtig finden diese Methoden Eingang in mehr und mehr Anwendungen. ERP und MES als Lieferant von Daten und Informationen, aber auch als Werkzeug der am Produktionsprozess beteiligten Menschen, sind prädestiniert für die Anwendung dieser Techniken.

Gerade im Umfeld der produktionsnahen Anwendungen sind drei Technologien mit großem Einfluss auf die zukünftige Gestaltung dieser Systeme identifizierbar:

  • Cognitive Automation
  • Intelligent Automation
  • Computer Vision

Cognitive Automation ist auf die wissensbasierte Ablaufsteuerung fokussiert. Beispiele sind Abfrageprozeduren bei Servicefällen oder auch die Überwachung von Dateneingaben im Umfeld der Stamm- und Bewegungsdaten. Das System lernt typische beziehungsweise sinnvolle Dateneingaben und kann den Anwender auf in dem Moment der Eingabe unplausible Konstellationen aufmerksam machen. Denkbar sind auch komplett automatisch ablaufende Prozesse. Anwender können so von Routineaufgaben entlastet werden (Robot Process Automation).

Intelligent Automation geht einen Schritt weiter. Es geht nicht mehr nur um vorhersehbare und auf mehr oder weniger bekannten Regeln basierende Prozesse und Entscheidungen sondern um das Handling von unvorhersehbaren Ereignissen oder Situationen. Eine populäre Implementierung ist die Spracherkennung und damit verbunden die Steuerung von Anwendungen. Hierbei handelt es sich allerdings häufig um sehr spezifische Anwendungen.

Computer Vision ist fokussiert auf Themenbereiche wie Texterkennung oder die automatisierte Analyse von Trendgraphen oder Charts (Pattern Recognition, Visual Computing). Weitverbreitet im Umfeld von ERP ist die OCR-basierte (Optical Character Recognition) Belegverarbeitung. Computer Vision geht allerdings darüber hinaus und ermöglicht daneben z.B. auch Bilderkennung (Analyse von Schadensbildern, Gesichtserkennung). Die Technologie basiert auf Deep Learning Mechanismen und ist auf dem Weg zur Reife und damit breiteren Anwendbarkeit. 

Anwendungsfälle in der Produktion

Ein weites Feld für die Nutzung von KI-Techniken ist der Bereich der Produktionsplanung und -steuerung im weitesten Sinne. Die Ermittlung von technologisch sinnvollen Abarbeitungsreihenfolgen (Sequenzierung) in einer Fließfertigung mittels Fuzzy-Logic ist ein Beispiel. Die Prognose von Materialbedarfen auf der Basis von Absatzprognosen ein anderes.

Die wachsende Vielfalt an und der Verbau von Sensoren in Fertigungsanlagen lässt weitere Möglichkeiten entstehen. Die automatische und flexible Zusammenführung vieler Sensordaten (Sensor Fusion) erlaubt beispielsweise die Ermittlung von Korrelationen zwischen einer Vielzahl von unterschiedlichen Sensorwerten durch neuronale Netze. Die gezielte Vorhersage von Störungen oder Qualitätsabweichungen kann den Fertigungsprozess absichern. In der Folge ist es möglich, im Vorfeld unbekannte Zusammenhänge zu erkennen und zur Stabilisierung der Prozesse zu nutzen. Schon heute ist es möglich, die vorausschauende Wartung mit Fuzzy-Logic Technologien zu unterstützen. Die Verwendung von künstlichen neuronalen Netzen zur Erkennung auch unbekannter Zusammenhänge ist dann der konsequente nächste Schritt.

Die fortschreitende Nutzung von MES und ERP-Systemen in einem dramatisch zunehmenden globalen Umfeld zeigt die Aktualität des Themas KI.

Chancen für Unternehmen

Die Verkürzung von Entscheidungsprozessen bei gleichzeitiger Erhöhung der Entscheidungsqualität ist in einem zunehmend komplexen, volatilen und unsicheren Umfeld, insbesondere der Fertigungsindustrie, von eminent wichtiger Bedeutung. Die Komplexität, die mit der Globalisierung des Wettbewerbs einhergeht, erfordert schnelle und richtige Entscheidungen. Lokale oder regionale Benchmarks werden quasi durch einen "World Benchmark" abgelöst. Hierzu sind automatisierte und KI-basierte Verfahren ein geeigneter Weg, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen abzusichern.

Ein zusätzlicher Aspekt zur Begründung automatisierter Entscheidungsprozesse sind die immer kürzer werdenden Vorlaufzeiten in der Auftragsabwicklung. Die kontinuierliche Verfügbarkeit der Produktionstechnik kann wirkungsvoll durch die Anwendung von Fuzzy Logic oder künstlichen neuronalen Netzen bei der Anlagenüberwachung erreicht werden.

Die schnellere Erschließung internationaler Märkte durch KI-gestützte Lokalisierung und Übersetzung der Anwendungen dient nicht zuletzt auch der Generierung von Neugeschäft oder der Absicherung des Bestandes.

Die genannten Beispiele sind ein Ausschnitt aus den Anwendungsmöglichkeiten von KI-Technologien im Umfeld von MES und ERP-Systemen. Mit der fortschreitenden Reife und breiten Verfügbarkeit dieser Technologien werden sich diese im Bereich von Business Software für die Fertigung allmählich durchsetzen. Ein Schlüsselfaktor ist dabei die Verfügbarkeit einer geeigneten und verlässlichen Datenbasis. Insofern sind Daten tatsächlich das "neue Öl" der Fertigungsindustrie.

Die PSI Software AG verfügt bereits über vielfältige Erfahrungen in der Nutzung von KI-Techniken sowohl in der Produktion als auch in anderen Gebieten wie der Absicherung kritischer Infrastrukturen. Hier seien beispielsweise die Steuerung der Einspeisung regenerativer Energiequellen in die Übertragungsnetze oder die Leckerkennung bei Pipelines genannt.

Bereits heute für die Produktion verfügbar sind umfangreiche und vielfache erprobe Lösungen für die Reihenfolgebildung in der Fließfertigung und das Tuning der Prozesse auf der Basis von Key Performance Indikatoren. Diese finden auch Anwendung in den MES-Komponenten der PSI Automotive & Industry.

Etablierung, Betrieb und Optimierung von logistischen Netzwerken in einem globalen Rahmen ist unter dem Aspekt der Entwicklung von Wertschöpfungsnetzwerken ein weiterer wichtiger Aspekt. Hierbei werden sowohl unternehmensübergreifende Netzwerke betrachtet bis hin zu lokalen Anwendungen wie die Steuerung von fahrerlosen Transportsystemen.

Die wichtigsten KI-Trends im Überblick

  • In der Produktion sind immer mehr Daten verfügbar, sodass klassische Analysemethoden an ihre Grenzen stoßen
  • KI wird schon heute wichtig für fertigende Unternehmen! Beispiele sind agile Produktion oder Entscheidungsunterstützung in Echtzeit
  • ERP und MES als Lieferant von Daten und Informationen wird mit KI die Stellung als Backbone von Unternehmen behalten
  • Cognitive Automation wird typische Abläufe (teil-)automatisieren und Anwender so von Routineaufgaben entlasten
  • Intelligent Automation wird auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren (ein Beispiel ist Sprachsteuerung)
  • Computer Vision basiert auf Deep Learning und wird durch Mustererkennung automatisierte Analysen ermöglichen
  • In der Produktionsplanung ermöglicht Fuzzy Logic schon jetzt die technologisch sinnvolle Abarbeitungsreihenfolgenplanung
  • Predictive Maintenance ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Erkennung unbekannter Zusammenhänge mit dem Ziel der Absicherung von Prozessen
Portrait Karl Tröger

Karl Tröger

Business Development Manager PSI Automotive & Industry GmbH

Seit mehr als 20 Jahren ist Karl Tröger bei der PSI Automotive & Industry. In dieser Zeit hat er sich mit allen Aspekten von ERP-Software befasst und war in führenden Positionen in Entwicklung, Beratung und Marketing tätig. Heute versteht er sich als Bindeglied zwischen Kunden, Markt, Wissenschaft sowie Software-Entwicklung und Marketing. Der Diplom-Ingenieur der Elektronik und Nachrichtentechnik ist an der von der Bundesregierung initiierten Plattform Industrie 4.0 beteiligt und veröffentlicht regelmäßig vielbeachtete Publikationen über die Zukunft von fertigungsnaher Software.

+49 30 2801-2003
ktroeger@psi.de

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