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2024 für Verkehrsunternehmen: Komplexität zu meistern ist ganz schön komplex!

24.01.2024 - Verkehr, Technologie, Nachhaltigkeit

Quelle: PSI Transcom GmbH

Das Jahr 2024 wird für Verkehrsunternehmen heraus­fordernd und spannend zugleich: Automatisierung, Generative KI und Daten­sicherheit werden immer wichtiger.

Torsten Vogel und Robert Baumeister, Geschäftsführer der PSI Transcom GmbH, geben einen ersten Ausblick auf das neue Geschäftsjahr und auf die Themen, die für den ÖPNV in den kommenden 12 Monaten eine wichtige Rolle spielen.

Emissionsfreie Flotten, Kostenoptimierungen im Betriebsablauf, Fachkräftemangel sowie die Steigerung der Fahrgastzufriedenheit sind auch 2024 anspruchsvolle Themen für Verkehrsunternehmen. Welche der genannten Aufgaben ist aus Ihrer Sicht die dringendste?

Torsten Vogel: Für einen ersten Ausblick müssen wir auf die vergangenen Monate zurückblicken. Jedem, der öffentliche Verkehrsmittel wie Bus oder Bahn nutzt, ist es aufgefallen: Die Fahrzeuge sind überfüllt und zahlreiche Fahrten fallen aus.

Der Hauptgrund: der anhaltende Fachkräftemangel. Es steht nicht genügend Personal zur Verfügung, um alle im Betriebsablauf geplanten Fahrten durchzuführen. Der Mangel an geeignetem Personal für den Regelbetrieb wirkt sich direkt auf die Fahrgastzufriedenheit aus.

Ein Hebel, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist die Steigerung der eigenen Mitarbeiterzufriedenheit. Vor allem in Verbindung mit dem Personalmangel ist dies eine weitere wichtige Stellschraube für den Betriebsablauf.

Ein zusätzlicher Hebel ist der Einsatz von softwaregestützten Systemen, um die Betriebsabläufe trotz Personalmangels zu automatisieren und zu optimieren. Ich denke, der Fachkräftemangel bleibt auch 2024 die größte und dringendste Herausforderung für die Verkehrsbetriebe.

Komplexität meistern: Datenplattformen erleichtern digitale Transformation

Komplexität meistern. Quelle: Adobe Stock

Welche Entwicklungen sind für den ÖPNV im Jahr 2024 noch zu erwarten und welche Themen werden weiter vorangetrieben?

Robert Baumeister: Im Jahr 2024 knüpfen wir nahtlos an die Entwicklungen der letzten Jahre an. Kernthemen, die den ÖPNV weiterhin beschäftigen, sind die Verkehrswende und hier vor allem das Zusammenspiel von Mobilitäts- und klimaneutraler Antriebswende. Diese Prozesse sind eng miteinander verzahnt und der Einsatz von Informationstechnologien, wie z.B. Softwarelösungen zur Digitalisierung von Betriebsabläufen, digitale Fahrgastinformationssysteme oder digitale Lösungen zur operativen Personaldisposition, ist zwingend erforderlich.

Ich bin davon überzeugt, dass die Verkehrswende im ÖPNV nur dann optimal vorangetrieben werden kann, wenn es einerseits attraktivere und vernetzte Angebote für die zukünftigen Fahrgäste gibt und andererseits die Verkehrsunternehmen personell entlastet werden. Dies wiederum macht erhebliche Investitionen in vielen Bereichen eines Verkehrsunternehmens notwendig.

Wie können Verkehrsunternehmen diese Themenvielfalt meistern und sich dennoch erfolgreich transformieren?

Robert Baumeister: Die Fähigkeit, Komplexität zu meistern, ist ganz schön komplex. Für Verkehrsunternehmen bedeutet dies in einem ersten Schritt, die eigenen Betriebsabläufe zu erfassen und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu beschreiben.
Jedes neue softwaregestützte System, das eingeführt wird, um die Komplexität im Betriebsablauf zu verringern, erhöht diese zunächst.

Der Grund: Verschiedene Schnittstellen, die die Systeme mit sich bringen, führen zunächst zu einer Zunahme der Komplexität in der IT-Infrastruktur. Damit die Transformation dennoch gelingt und softwaregestützte Systeme langfristig beherrschbar bleiben, ist eine konsequente Modularisierung und Nutzung standardisierter Schnittstellen bei gleichzeitiger transparenter Überwachung der Datenflüsse unumgänglich. Die Qualität der Daten an jedem Systemübergang bestimmt die Qualität der Gesamtlösung.

Meiner Ansicht nach werden moderne Datenplattformen daher an Bedeutung gewinnen und die organisatorische Transformation von Verkehrsdienstleistern erleichtern.

Wie kann der Betrieb durch Softwaresysteme noch effizienter gestaltet werden und wie lassen sich die laufenden Betriebskosten am besten überwachen?

Torsten Vogel: Die zuverlässige und sichere Durchführung des Betriebsablaufs ist die Hauptaufgabe der Verkehrsbetriebe. In Zeiten angespannter Budgets sind die Betriebskosten der wichtigste Faktor für die Unternehmen. Die Umstellung auf emissionsfreie Flotten und die damit verbundene Anschaffung von Lade- und Wartungsinfrastruktur sind mit enormen Kosten verbunden und erfordern zusätzliche finanzielle Mittel.

Der Einsatz moderner IT-Systeme im Betriebsablauf unterstützt hier datengetrieben, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Damit diese auch auf die eigenen Unternehmensziele einzahlen, ist es unabdingbar, sich auf geeignete KPIs zu einigen. Dazu ist ein intensiver Austausch aller Verantwortlichen notwendig, vor allem auch, um die Interessen der eigenen Kunden zu wahren und natürlich auch, um die laufenden Betriebskosten im Blick zu behalten.

Fachkräftemangel: Software unterstützt Verkehrsunternehmen

Fachkräftemangel. Quelle: Adobe Stock

Sind Softwarelösungen zur Personaleinsatzplanung oder automatisiertes Fahren geeignete Lösungsansätze, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen?

Torsten Vogel: Der Fachkräftemangel betrifft fast alle Wirtschaftszweige. Nahezu alle Branchen stehen heute und in Zukunft vor diesen Herausforderungen. Ein höherer Automatisierungsgrad, der das eigene Personal unterstützt, kann sicherlich teilweise eine Lösung sein. Vollautomatisierte Lösungen, wie z. B. autonomes Fahren, stehen noch vor einigen regulatorischen Herausforderungen und müssen zunächst die erforderliche Akzeptanz der Nutzenden erlangen.

Der Einsatz von IT-Systemen in der Personalwirtschaft unterstützt zum einen die Personalplanung und erhöht zum anderen die Mitarbeiterzufriedenheit, da besser auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingegangen werden kann.

Ein gutes Beispiel: das Betriebsführungssystem PSItraffic. Es sorgt dafür, dass die Werkstattzuführungen auch untertägig hocheffizient in den operativen Betrieb integriert werden. Unattraktive Nachtschichten werden reduziert, da das Personal auch tagsüber verstärkt in den Werkstätten eingesetzt wird. Ein höherer Digitalisierungsgrad in der Personaleinsatzplanung führt im besten Fall zu optimierten Betriebsabläufen, entlastet die Mitarbeitenden und ermöglicht mehr Angebote für moderne Arbeitszeitmodelle.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von Software in vielen Bereichen für die Verkehrsunternehmen eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels spielt. Gleichzeitig steigt der Betreuungsaufwand, da geschultes Personal für die Anwendung und Pflege der Software benötigt wird. Für die Verkehrsbetriebe bedeutet dies eine zunehmende Verlagerung des Fachkräftebedarfs in Richtung IT-Fachkräfte und eine noch stärkere Einbindung von Lösungsanbietern, um das eigentliche Kerngeschäft nicht aus den Augen zu verlieren.

Generative Künstliche Intelligenz wie der Einsatz von Large Language Models (LLMs) oder auch Cloud-Lösungen ermöglichen auch für ÖPNV-Unternehmen völlig neue Anwendungsfelder. Welche Einsatzmöglichkeiten sehen Sie?

Robert Baumeister: Neue spannende Ansätze sehe ich u.a. in zwei Geschäftsfeldern von Verkehrsdienstleistern: Generative KI im organisationalen Wissens- und Dispositionsmanagement.

  1. Im Wissensmanagement hilft der Einsatz von generativer KI, das Wissen der Organisation schneller aufzubereiten und allen Mitarbeitenden zugänglich zu machen. Gerade vor dem Hintergrund des bereits angesprochenen Fachkräftemangels ist dieser Ansatz sehr effektiv. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen schnell und effizient eingearbeitet werden. Die Zeit für den Wissensaufbau innerhalb einer Organisation verkürzt sich dramatisch. KI und interaktive Systeme verringern die Einarbeitungszeit. Chatbots ersetzen z.B. umfangreiche Handbücher oder Sprachsteuerungen lösen komplexe Menüführungen ab.
  2. Im Dispositionsmanagement ermöglicht ein KI-gestütztes Vorschlagswesen mehr Sicherheit für die Mitarbeitenden. Insbesondere bei Dispositionseingriffen im Störungsfall unterstützt die KI Handlungen und Entscheidungen. Zudem hilft die Software, fehlendes Erfahrungswissen insbesondere bei neuen Mitarbeitenden zu kompensieren. Die Reaktionszeiten der Betriebsdisponenten werden durch das steigende Fahraufkommen immer kürzer und Störungssituationen „schaukeln“ sich schneller auf. Durch die Integration von KI laufen die Systeme stabiler und zuverlässiger.

Was sind Large Language Models (LLMs)?

Ein großes Sprachmodell ist eine spezielle Art von künstlicher Intelligenz, die auf großen Textmengen trainiert wurde, um vorhandene Inhalte zu verstehen und neue Inhalte zu generieren. Gartner Glossary

Torsten Vogel 
Geschäftsführer
 

Robert Baumeister
Geschäftsführer