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Checkliste: So gelingt die ERP-Einführung in 5 Phasen

20.01.2022 - Industrie 4.0, Produktion, Technologie

Quelle: iStock.com/gorodenkoff (bearbeitet durch PSI)
Quelle: iStock.com/gorodenkoff (bearbeitet durch PSI)

Wie lange dauert die ERP-Einführung? Wie schaut der Fahrplan konkret aus? Worauf sollten Unternehmen achten? Wenn es um das neue ERP-System geht, freuen sich viele Betriebe auf Prozess­verbesserungen und Arbeits­erleichterungen.

Die Erwartungshaltung und der Erfolgsdruck sind hoch: So soll die ERP-Lösung als zentraler Baustein der IT-Infrastruktur die globale Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen. Zudem muss sich die Investition möglichst schnell auszahlen. Gleichzeitig ist aber auch bekannt, wie teuer gescheiterte ERP-Projekte Unternehmen zu stehen kommen.

Während der Nutzen eines ERP-Systems offenkundig ist, so ist Entscheidern oft unklar, wie genau die Einführung konkret ablaufen soll. Oft passieren entscheidende Fehler, schon bevor ein Projekt überhaupt richtig gestartet ist. Wurde nicht gemeinsam festgelegt und auch allen Beteiligten klargemacht, wie das Projekt organisiert und strukturiert ist, entstehen Missverständnisse und Fehlannahmen und Verantwortlichkeiten werden von rechts nach links jongliert. Auf diese Weise kommen ERP-Einführungsprojekte nicht vom Fleck und verschlingen Budgets, ohne einen wesentlichen Fortschritt zu erzielen.

Den Unsicherheiten kann jedoch leicht mit einer strukturierten Einführungs­methodik begegnet werden: Eine passende Checkliste macht den Weg zum neuen ERP deutlich leichter.

In welchen Bereichen unterstützt ein ERP-System?

Wie lange dauert die ERP-Einführung?

Jede ERP-Einführung ist so einzigartig wie das Unternehmen, bei dem ein neues System eingeführt wird. Rahmenbedingungen wie die Unternehmensgröße, bereitgestellte Ressourcen und Kapazitäten oder grenz- wie werksübergreifende Prozesse können einen großen Einfluss auf die Einführungsdauer haben. Dazu ist die bestehende Basis entscheidend. Wenn etwa bereits viele Prozesse von einer ERP-Lösung abgedeckt wurden, müssen bestehende Zusammenhänge, Arbeitsweisen und -abläufe bedacht und zwischen Anbieter und Unternehmen diskutiert werden.

Bei kompletten Neueinführungen oder der Ablöse von veralteten Systemen ist eine Projektlaufzeit von einem bis anderthalb Jahren realistisch.

Die fünf Phasen des ERP-Projektes. Quelle: PSI Automotive & Industry
Die fünf Phasen des ERP-Projektes. Quelle: PSI Automotive & Industry

Wie viel Aufwand haben meine Mitarbeiter?

In einer idealen Welt würde sich der ERP-Projektleiter eines Unternehmens während der Einführung ausschließlich um das Projekt kümmern. In der Regel sind diese qualifizierten Mitarbeiter aber auch für andere Tätigkeiten unentbehrlich und im Tagesgeschäft eingespannt.

Wer ein neues ERP-System einführt, muss sich vergegenwärtigen, dass es sich hierbei um ein Mitmach-Projekt handelt. So hängt der Erfolg vor allem davon ab, dass Anwenderunternehmen und Anbieter von Anfang an ein Team bilden. Gemeinsam muss es daran arbeiten, die Prozesse, die dem Unternehmen bislang seine Wettbewerbsvorteile verschafft haben, auch mit dem neuen System zu pflegen und zu optimieren.

Erfahrungsgemäß sollten 75 % der Arbeitszeit für die ERP-Einführung reserviert sein, um Verzögerungen zu vermeiden.

Dazu kommen Aufwände für die Key-User (Hauptanwender), die Workshops durchführen, vor- und nachbereiten und zusätzlich Schulungsunterlagen erstellen müssen. In der heißen Phase des Projektes sollten sie daher durchschnittlich 50 % ihrer Zeit für eine gelungene Einführung einplanen – wobei die notwendige Zeit von Woche zu Woche stark schwanken kann.

Diesen Zeitaufwand müssen Unternehmen bei der ERP-Einführung einplanen. Quelle: PSI Automotive & Industry
Diesen Zeitaufwand müssen Unternehmen bei der ERP-Einführung einplanen. Quelle: PSI Automotive & Industry

Die 5 Phasen eines ERP-Projekts

Die Einführung eines ERP-Systems gliedert sich in der Regel in fünf, aufeinander aufbauende Phasen. In der Realität gehen die verschiedenen Phasen jedoch teilweise ineinander über. Hierfür gibt es kein Patentrezept. Als Orientierungshilfe und Checkliste haben sich folgende Phasen bewährt.

1. Projektinitialisierung

Planen, organisieren, dokumentieren – lautet die Überschrift der ersten Phase. Sie zielt darauf ab, die organisatorischen und operativen Rahmenbedingungen für die Implementierung zu schaffen. Dazu zählt die Zusammenstellung des Projektteams inklusive Zuweisung der Verantwortlichkeiten, die Abstimmung eines Projekthandbuchs, welches das vereinbarte Vorgehen der Zusammenarbeit dokumentiert, die Erarbeitung des Projektplans sowie die Durchführung eines Kick-Offs.

Beispielhafte Darstellung der Projektorganisation bei ERP-Einführungen. Quelle: PSI Automotive & Industry
Beispielhafte Darstellung der Projektorganisation bei ERP-Einführungen. Quelle: PSI Automotive & Industry

Checkliste: Projektinitialisierung

  • Projektteam einrichten: Es wird festgelegt, wer Teil des Projektteams ist. Wer ist Projektleiter beim einführenden Unternehmen und beim Anbieter? Wer sind die Key-User? Welche Berater des ERP-Anbieters werden benötigt? Wer sitzt im Lenkungsausschuss, der als höchste Eskalationsstufe Klarheit bei unterschiedlichen Auffassungen schaffen kann.
  • Projekthandbuch abstimmen: Es wird ein schriftliches Dokument erstellt, wie man im Projekt zusammenarbeiten will. Worauf ist zu achten? Wo liegen die nötigen Dokumente? Wie geht man im Change-Fall miteinander um? Wie beim Risikomanagement? Wichtig ist alles möglichst früh zu definieren, um später in der Hitze des Gefechts Missverständnisse zu vermeiden.
  • Projektplan erstellen (bzw. überarbeiten): Der Projektplan mit den fünf Phasen wird gemeinsam erstellt. Ggf. kann ein Projekt in mehrere Teile aufgeteilt werden, um die Komplexität zu verringern.
  • Kick-Off Veranstaltung durchführen: Sind alle Punkte geklärt, kann als Meilenstein der ersten Phase alles Weitere besprochen werden.

2. Installation und Training des Kernteams

Installieren, trainieren, „Big Picture“ – sind die drei entscheidenden Stichworte der zweiten Phase. Sie umfasst die Installation der Softwarekomponenten, Überblicksschulungen für das Key-User-Team sowie die gemeinsame Erarbeitung der zukünftigen Prozesslandkarte – sozusagen als das „Big Picture“.

Checkliste: Installation und Training des Kernteams

  • Installation der Softwarekomponenten
  • Überblicksschulungen für die Key-User: Die Schulung besteht aus einer Oberflächen- und Systemhandling-Schulung gefolgt von einem typischen Auftragsdurchlauf, der anhand von Kundendaten durchgespielt wird. An dieser Stelle empfehlen wir auch die gemeinsame Erstellung eines „Big Picture“ (zukünftige Prozesslandkarte) über die Prozesse. Die Inhalte der Prozesslandkarte bilden die Basis für die nachfolgenden Designphasen. Der Systemüberblick kann als Meilenstein für die zweite Phase angesehen werden.
  • Ergänzende Schulungen: Dazu gehören z. B. Oberflächenschulungen oder die Bedienung der Anwendung.

3. Prozess- und Systemdesign

Design – lautet das Credo der dritten Phase. Im Kern geht es um die Klärung der Frage, in welchen sinnvollen Prozessen die verschiedenen Unternehmensbereiche zukünftig arbeiten wollen oder sollten und wie sich diese im ERP-System abbilden lassen. Ob die skizzierten Prozesse funktionieren, ob Schnittstellen zu Teilsystemen zu definieren sind oder relevante Medienbrüche entstehen, lässt sich im Integrations-Workshop feststellen. Der Prozess wird hier über alle Abteilungen hinweg von A-Z durchgespielt. Zu guter Letzt werden die Funktions- und Ablaufbeschreibungen dokumentiert, notwendige Schnittstellen und Anpassungen spezifiziert sowie ein Datenmigrationskonzept erarbeitet und verfeinert. Spätestens jetzt sollten auch vertragliche Anpassungsbedarfe thematisiert werden.

Grober Projektplan, der projektspezifisch angepasst werden muss. Quelle: PSI Automotive & Industry
Grober Projektplan, der projektspezifisch angepasst werden muss. Quelle: PSI Automotive & Industry

Checkliste: Prozess- und Systemdesign

  • Workshops in den Teilprojekten: Anforderungen aus den betroffenen Bereichen werden aufgenommen und diskutiert. Es erfolgt die Prozessaufnahme und eine Besprechung, wie die Prozesse in den Teilprojekten (z. B. Einkauf und Vertrieb) abzubilden sind.
  • Definition der Soll-Prozesse und deren Abbildung im System: Alles dreht sich hier um die Frage: Wie will das Unternehmen in Zukunft arbeiten? Berater und einführendes Unternehmen überlegen daher gemeinsam, wie man Prozesse sinnvoll gestalten kann. Die Unternehmen können hier vom allgemeinen Know-how und Branchenwissen eines erfahrenen Anbieters profitieren.
  • Change-Management: Wenn sich im Vergleich zum Lastenheft oder vertraglichen Regelungen in der Praxis Änderungsbedarf zeigt, sollten die Änderungen spätestens während des Prozess- und Systemdesigns besprochen werden.
  • Erstellung einer Dokumentation auf Basis der Best-Practice-Dokumente (Funktions- und Ablaufbeschreibungen)
  • Spezifikationen für Schnittstellen und Anpassungen
  • Konzept Datenmigration
  • Integrations-Workshop: Anbieter und Unternehmen gehen zusammen den Prozess von A bis Z und über alle Abteilungen hinweg durch. Funktioniert der Prozess in der Theorie über die Abteilungsgrenzen hinweg? Funktioniert das Zusammenspiel bzw. werden Schnittstellen zwischen Teilsystemen benötigt? Wo sind Medienbrüche ein Problem?

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4. Umsetzung Prozess- und Systemdesign

Konfigurieren, justieren, testen – diese Tätigkeiten umschreiben den Kern der vierten Einführungsphase. Hierin konfiguriert der Anbieter das System entsprechend dem definierten Prozess- und Systemdesign – die Realisierung von Schnittstellen und Anpassungen inklusive. Danach erfolgt der iterative Feinschliff der Migrationsmethodik mittels Migrationstests. Am Ende dieses Prozesses liegen die zur Übernahme bestimmten Daten in der benötigten Qualität vor und werden ins neue System migriert. Daran schließt sich der finale Integrationstest an und damit ein Testlauf der Prozesse über das gesamte Unternehmen hinweg. Das Team bestätigt schließlich den erfolgreichen Durchlauf und damit die abgeschlossene Prozess- und Programmrealisierung. Mit der Erklärung der Betriebsbereitschaft ist auch der Startschuss für den Aufbau des Produktivsystems gefallen, das für die Datenübernahme und den anschließenden Go-Live vorbereitet wird.

Checkliste: Umsetzung Prozess- und Systemdesign

  • Anwendungskonfiguration: Der Anbieter konfiguriert das System und setzt die Parameter nach den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens.
  • Realisierung von Schnittstellen und Anpassungen
  • Iterative Verfeinerung der Datenübernahme: Als erster Schritt erfolgt eine Testmigration, denn erfahrungsgemäß funktioniert die Datenmigration beim ersten Mal nicht in der gewünschten Qualität. Das kann viele Gründe haben: Die Daten im Altsystem liegen nicht in der benötigten Güte vor, es fehlen Daten komplett oder bestimmte Parameter müssen für das neue System anders gesetzt werden. An der Migrationsmethodik wird iterativ so lange nachgeschliffen bis die Daten in der nötigen Güte vorliegen und sinnvoll in das neue System migriert werden können.
  • Erstellung Inbetriebnahmeplan
  • Integrationstest: Der Integrationstest ähnelt dem Integrations-Workshop. Der Test erfolgt aber unter realen Bedingungen mit migrierten Daten und realisierten Schnittstellen sowie allen Programmanpassungen. Getestet werden alle Prozesse über das gesamte Unternehmen hinweg.
  • Erklärung der Betriebsbereitschaft: Die Erklärung wird erteilt, wenn aus Sicht von Anbieter und Unternehmen der Online-Gang gewagt werden kann. Daher ist er der Meilenstein für die Umsetzungsphase.

5. Start und Betreuung Echtbetrieb

Start, Schulung, Unterstützung – lauten die drei Kernpunkte der letzten Phase. Vor der Datenübernahme für den Produktivbetrieb schult das Team die übrigen Endanwender. Dann erfolgt die Inbetriebnahme, in der die Anwender möglichst online unterstützt werden, wenn sie eine Frage haben.

Checkliste: Start und Betreuung Echtbetrieb

  • Schulung der Endanwender: Alle Anwenderinnen und Anwender erhalten passgenaue Schulungen.
  • Datenübernahme für Produktivbetrieb
  • Inbetriebnahme: Die Inbetriebnahme erfolgt. Ein Meilenstein für diese Phase.
  • Online-Unterstützung: Die Mitarbeiter können jederzeit eine Online-Unterstützung in Anspruch nehmen.

Wo lauern die Fallstricke bei der ERP-Einführung?

Fehler vermeiden geht vor Fehler beheben. An diesen leicht zu umschiffenden Fallstricken sind ERP-Projekte bereits gescheitert oder stark verzögert worden.

Es ist ratsam eine gute Ist-Analyse zu machen, um basierend darauf zu definieren, wie Prozesse in Zukunft ausgestaltet sein sollen.

Gemeinsam mit ihrem Anbieter können Unternehmen sie aber einfach umgehen:

  • Unklare Ziele
    Unternehmen sollten eine klare Zieldefinition vor Augen haben, bevor sie die Einführung beginnen. Die Frage, was mit dem neuen ERP-System erreicht werden soll, muss beantwortet sein.
  • Komplexität wird unterschätzt
    Das Prozess- und Systemdesign kann sich teilweise lange hinziehen, wenn die Anforderungen komplex sind. Auch die Frage wie viele Funktionen auf einmal eingeführt werden sollen, kann den Bedarf an Zeit beeinflussen. Wenn etwa von der kaufmännischen Abteilung bis zur Produktion alle Prozesse mit einem ERP-System abgebildet werden sollen, ist das Projekt entsprechend komplex. Eine gewisse Kompromissbereitschaft vom Anbieter und vom Unternehmen ist erforderlich. Genau wie die Einsicht, dass bei standardfähigen Produkten ggf. nicht alle individuellen Prozesse berücksichtigt werden können.
  • Schlechtes Change-Management
    Im Laufe des Projekts kristallisiert sich immer mehr heraus, was wirklich nötig ist und das unterscheidet sich oft von den am Anfang des Projektes definierten Anforderungen. Es liegt ein Change-Fall vor, der moderiert werden muss. Gutes Change-Management und Kreativität sind auf beiden Seiten gefragt, um hier für beide Seiten sinnvolle Lösungen zu finden.
  • Sie reden aneinander vorbei
    Nehmen Sie sich Zeit, um ein eingespieltes Team mit Ihrem Anbieter zu werden. Das Finden einer gemeinsamen Sprache dauert ggf. seine Zeit. Bei verschiedenen IT-Lösungen meinen gleiche Begriffe oft nicht dasselbe. Genauso nennen Kollegen in der Produktion denselben Sachverhalt anders als in der IT. Die Anforderungen aus dem Lastenheft sollten daher auch nochmal gemeinsam genau durchgesprochen werden.
  • Schlechte Datenqualität
    Eine Datenmigration kann recht aufwändig sein und längere Zeit in Anspruch nehmen, wenn die Daten nicht in der nötigen Qualität vorliegen.
Etwas Wahres steckt darin: Wie Projekte wirklich ablaufen. Quelle: www.projectcartoon.com
Etwas Wahres steckt darin: Wie Projekte wirklich ablaufen. Quelle: www.projectcartoon.com

Klare Ziele – klare Wege

Die Erfahrung zeigt: Unternehmen, die sowohl klare Ziele definieren als auch präzise die Wege der Einführung benennen und verfolgen, nehmen am Ende des Projekts ein System in Betrieb, mit dem sie langfristig gut aufgestellt sind.

Zwar gleicht kaum eine ERP-Einführung der anderen, für alle ist jedoch die Bildung eines arbeitsfähigen Teams aus Anwenderunternehmen und ERP-Anbieter das A & O. Bewährt hat sich nicht zuletzt die Orientierung an den beschriebenen fünf Schritten sowie den dazu gehörenden Checklisten – ganz unabhängig von der Größe oder Komplexität eines Projekts.

ERP-Einführungs-Checkliste

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Mit einer guten Strategie lassen sich entscheidende Fehler vermeiden, bevor das Projekt überhaupt richtig startet:
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Jörn Jöns

Leiter der Beratung Nord (Industry), PSI Automotive & Industry

Jörn Jöns ist seit 2007 bei der PSI. Seitdem hat er sich einen Namen in der Einführung von ERP-Projekten gemacht. Als erfahrener Berater optimiert er die Prozesse von Unternehmen aus dem fertigenden Mittelstand und teilt im Blog gerne Insights aus der Praxis.

+49 30 2801-2018
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