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E-Mobilität im ÖPNV: Vorsprung durch Optimierung und Standardschnittstellen

08.07.2021 - Verkehr, Technologie, Energie

Bei der Hamburger Hochbahn AG ist PSIebus bereits erfolgreich in Betrieb. Hier entstand in einem Pilotprojekt die VDV463-Schnittstelle. Quelle: PSI Transcom
Bei der Hamburger Hochbahn AG ist PSIebus bereits erfolgreich in Betrieb. Hier entstand in einem Pilotprojekt die VDV463-Schnittstelle. Quelle: PSI Transcom

Die Umstellung von Diesel- auf Elektrofahrzeuge im ÖPNV nimmt Fahrt auf. Inzwischen haben sich in diesem Kontext vor allem integrierte Software­systeme bewährt, die das Management des Depots und des Ladesystems verbinden. Zwei Themen fallen hierbei besonders ins Gewicht: Die Optimierung des Zusammenspiels von Fahrbetrieb und Lademanagement sowie die Schaffung von Standardschnittstellen zwischen verschiedenen Systemen.

Der öffentliche Nahverkehr hat eine Vorreiterrolle eingenommen bei der Umstellung auf alternative Antriebe. Starke Impulse setzt dabei die „Clean Vehicles Directive“ der EU und ihre verpflichtenden Mindestquoten für die Beschaffung von sauberen und emissionsfreien Fahrzeugen. Unternehmen stehen vor diesem Hintergrund zunehmend unter Handlungsdruck, eine praktikable und zugleich zukunftsfähige Elektrifizierungsstrategie zu entwickeln.

Die große Herausforderung: Nur wenige Betriebe und Zulieferer verfügen über ein Gesamtverständnis der Anforderungen eines ÖPNV-Betriebs und dem Management einer elektrischen Infrastruktur. Genau hierauf wird es aber ankommen, um die erforderlichen Strukturen schnell zu schaffen, diese langfristig und effizient zu nutzen und unabhängig von den Technologien einzelner Hersteller zu bleiben. So gilt es, das vielschichtige Zusammenspiel von Fahrbetrieb und Lademanagement zu optimieren und Standards für die Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen zu schaffen.

Betriebliche und elektrische Einflussparameter ganzheitlich berücksichtigen

Das Laden von Elektrobussen auf der Strecke oder im Depot stellt Verkehrsunternehmen vor neue Herausforderungen. Die zentrale Frage: Wie lässt sich gewährleisten, dass die Busse pünktlich und bedarfsgerecht geladen zur Verfügung stehen – und das so wirtschaftlich wie möglich?

Hierbei muss bedacht werden, dass weit mehr Einflussfaktoren und Abhängigkeiten eine Rolle spielen als beispielsweise die begrenzte Batteriereichweite. So wird allein die Reichweite jedes einzelnen Fahrzeugs zusätzlich z. B. auch vom Alter der Batterie, von der Außentemperatur oder der konkreten Fahrweise eines Busfahrers beeinflusst. Entscheidend für das Laden der Fahrzeuge ist wiederum

  • die Ladeinfrastruktur auf der Strecke oder im Betriebshof,
  • die konkrete Anschlussleistung sowie
  • mögliche Einschränkungen der elektrischen Versorgung aufgrund von Netzschwankungen.

Nicht zuletzt können Aspekte wie netzdienliches Laden, Batterieschonung oder Laden zu günstigen Konditionen zum relevanten Wirtschaftsfaktor werden.

Fakt ist: Das Management eines elektrobetriebenen Fahrbetriebs erfordert ein deutlich geplanteres Vorgehen als in der Vergangenheit.

So müssen eine große Anzahl von betrieblichen und elektrischen Einflussparametern sowie deren vielschichtigen Abhängigkeiten berücksichtigt und optimiert ausbalanciert werden. Umfasst eine Flotte viele Fahrzeuge, ist diese Planung ausschließlich mit Hilfe von Software möglich.

Vielschichtige Abhängigkeiten automatisiert optimieren

Verkehrsbetriebe profitieren daher von integrierten Depot- und Lademanagementsystemen, die speziell für den emissionsfreien ÖPNV konzipiert sind. Das System PSIebus führt durch die Kombination des Depotmanagement-Moduls PSIeDMS mit dem Lademanagement­system PSIsmartcharging die Daten aus der betrieblichen Vorplanung mit den Daten der elektrischen Systeme zusammen.

Fahrzeug- und Betriebsdaten fließen gemeinsam mit Wetterprognosedaten sowie Informationen zu den Einspeisepunkten, Trafos und Ladesäulen zusammen.

Das bildet die Basis für ressourcenschonende, bedarfsgerechte Ladevorgänge. Gleichzeitig erfolgt bei drohender Überlast oder Einschränkungen im Energiebezug automatisiert eine Umverteilung der Leistung, die den Netzzustand stabilisiert und trotzdem einen verlässlichen Betrieb sicherstellt.

Für die Ermittlung der Ladestrategie für jedes Fahrzeug greift das System auf seine integrierte Optimierung zurück. Quelle: PSI Transcom
Für die Ermittlung der Ladestrategie für jedes Fahrzeug greift das System auf seine integrierte Optimierung zurück. Quelle: PSI Transcom

Durch den PSI-eigenen Optimierungskern Qualicision lassen sich alle relevanten Kriterien und ihre vielschichtigen – zum Teil auch gegenläufige – Abhängigkeiten mit hoher Geschwindigkeit optimiert ausbalancieren. Dabei können Betriebe in Abhängigkeit ihrer konkreten Strukturen sämtliche Parameter individuell priorisieren und gewichten sowie flexibel ein- und ausstellen.

Denkbar ist z. B. das folgende Szenario: Der Mindestladezustand einer Batterie für den nächsten, geplanten Umlauf fließt restriktiv als zu erfüllende Anforderung in die Gesamtplanung ein. Qualitative Kriterien, wie eine batterieschonende reduzierte maximale Ladeleistung oder ein reduzierter Zielladezustand der Batterie, werden zueinander priorisiert, gewichtet und gehen ebenfalls als Kriterien in die Ladeplanung ein. Die damit einhergehende Verlangsamung der Batteriealterung, stellt für große Betriebe durchaus einen relevanten Wirtschaftsfaktor dar.

Bei drohender Überlast oder Einschränkungen im Energiebezug erfolgt automatisiert eine Umverteilung der Leistung, die den Netzzustand stabilisiert. Quelle: PSI Transcom
Bei drohender Überlast oder Einschränkungen im Energiebezug erfolgt automatisiert eine Umverteilung der Leistung, die den Netzzustand stabilisiert. Quelle: PSI Transcom

Standardisierte Kommunikationsabläufe zwischen Depot- und Lademanagement

Weil angebundene Systeme wie DMS (PSItraffic/DMS) oder ITCS (PSItraffic/ITCS) künftig also eng mit Lade- bzw. Lastmanagementsystemen verwoben sein müssen und diese wiederum mit Ladesäulen, bedarf es zudem der Überführung von Schnittstellen in Standards. Denn nur die so definierten und vereinheitlichten Prozesse samt Verantwortlichkeiten gewährleisten Investitionssicherheit und ermöglichen Verkehrsbetrieben auch zukünftig die freie Auswahl ihrer Lieferanten.

Aktuell steht der Standard VDV 463 kurz vor der Veröffentlichung. Ihren Ursprung hat die Schnittstelle im erfolgreichen in Betrieb befindlichen Pilotprojekt der Hamburger Hochbahn. Der Standard beschreibt vor allem den bilateralen Informationsaustausch zwischen Depot- und Lademanagementsystem und legt hierfür sowohl das Datenformat als auch das Transportprotokoll fest. Dazu zählt beispielsweise, welche betrieblichen Parameter vom Betriebs- bzw. Depotmanagementsystem wie, wo und mit welcher Priorität über den sogenannten Charging Request ans Lademanagementsystem (LMS) übertragen werden und wie das LMS die Ladeplanung im Detail als Charging Information zurücksendet.

Konkretisierung von Schnittstellen zwischen Lademanagement und Ladesäulen

Für die Verbindung zwischen den Lademanagementsystemen und Ladesäulen existiert bereits die offene und zertifizierte Schnittstelle OCPP 1.6 (Open Charge Point Control). Sie beschreibt einerseits, wie die Nachrichten zwischen den beiden Komponenten für die Überwachung und Ladesteuerung genutzt werden und andererseits das von der Ladeinfrastruktur und teilweise von den Bussen erwartete Verhalten inklusive der verknüpften Daten.

Das Problem: Die konkrete Art und Weise der Nachrichtennutzung im Zusammenhang bleiben offen. So legt das Protokoll beispielsweise nicht konkret genug fest, welche Ladeprofile für eine zentrale Ladesteuerung genutzt werden müssen und welche Daten wiederum die Ladestation bereitstellen müssen, damit eine zentrale Überwachung und Ladesteuerung möglich ist. Dasselbe gilt für die Nutzungsbeschreibung der Ladeprofile bei Kommunikationsausfällen oder Störungen der Energieversorgung.

Die eindeutige Definition der Nutzung der Smart Charging Profile ist zwingend erforderlich für die zuverlässige Ladung und Verteilung der Elektrobusse in den Depots.

Die Folge ist, dass die unterschiedliche oder unvollständige Umsetzung der Smart Charging Profile hohe Kosten beim Anschluss der Ladesäulen an ein Last- und Lademanagement­system verursacht. PSI hat aus diesem Grund die Nachrichten der OCPP 1.6 in dem Dokument „PSIready“ konkretisiert. Dazu zählt vor allem auch die Berücksichtigung von Restriktionen der Energieversorgung sowie die präzise Definition eines Notfallbetriebs, die in den meisten Schnittstellenbeschreibungen fehlt.

Langfristig erfolgreich mit All-in-One-System und Standards

Das Umrüsten auf Elektromobilität beeinflusst erheblich die betrieblichen Abläufe in Verkehrsunternehmen. Dabei kommt es darauf an, die Abläufe des Betriebshofs mit denen des Lademanagements zu kombinieren und die vielschichtigen Abhängigkeiten optimiert auszutarieren. Standardbemühungen wie im Umfeld der VDV-Norm 463, aber auch im Kontext des Zusammenspiels von Lademanagementsystemen und Ladesäulen sind zudem zwingend erforderlich, um langfristig einen sicheren und effizienten Betrieb sowie Herstellerunabhängigkeit für die Betriebe zu ermöglichen.

Sie möchten mehr über die Vorteile von PSIebus erfahren?

Mehr dazu lesen Sie in unserer aktuellen Broschüre
Depot- und Lademanagement für Elektrobusse. 

Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?

Martin Frenzel

Bereichsleiter Entwicklung und Projekte, PSI Software AG

Jost Geweke

Business Development Manager, PSI Transcom GmbH